Sieben Jahre

2017 - Fast sieben Jahre sind vergangen. Im Oktober wird es sieben Jahre her sein. Im Herbst 2010 hatte sich mein Leben schlagartig verändert. Ein Leben, was ich schon aufgegeben hatte. Ein Leben, was eher nur noch einem Überleben geglichen hatte. Es war ein Leben voller Schmerz, Traurigkeit,  Melancholie und Depression.. Im Spätsommer hatte ich die Internet-Plattform Facebook entdeckt. Ausgerechnet dieses "Facebook" war der entscheidende Faktor, dass ich mein Leben wieder fühlen durfte und konnte. Neugierig hatte ich mich angemeldet und es hatte auch nicht lange gedauert und ich bekam meine ersten Freundschaftsanfragen. Zunächst war ich etwas irritiert. Ich "lebte" doch anonym und hatte viele Jahre zu kaum Menschen Kontakt gehabt. Aufgeregt bestätigte ich die Anfragen und wunderte mich selbst über meinen Mut, denn ich hatte zu dieser Zeit noch Angst vor sozialen Kontakten, die mir unbekannt waren. 

 

Schon wenige Wochen später hatte ich ein paar "Freunde" mehr auf der Liste und es entstanden auch kleine Chat-Gespräche. Ich war sehr vorsichtig, sehr aufgeregt und meine privaten Lebensumstände (auf die ich jetzt nicht näher eingehen werde) gaben mir zunächst wenig Raum dieses "Facebook" zu nutzen. Es war mir nur sporadisch möglich und wenn ich die Freiheit erlebte, dann hatte ich großen Spaß zu kommentieren. Die vorsichtigen Kontakte vermittelten mir schon ein geringes Glücksgefühl. Es war ein erster Atemhauch in ein anderes Leben, was für die meisten Menschen normal gewesen war. Für mich war es das nicht. Viele Jahre nicht. Ich hatte vielleicht Kontakt zu meinen Eltern, zu meinen Großeltern, Nachbarn, zum Paketboten und vielleicht zum Handwerker, der einmal im Jahr etwas verrichten musste. Mehr soziale Kontakte gab es nicht. Ich saß in meinen vier Wänden. Gefangen in der Wohnung und mein zentrales Thema war die Angst. Angst hatte ich immer - sie beherrschte mich und dirigierte mich. Sie erlaubte mir wenige gute Tage und bestrafte mich mit vielen schlechten Tagen, an denen sie jede Minute eines Tages zum Kampf aufrief. Ich war oft ausgelaugt und müde. Es war ein langer Kampf, der mich müde gemacht hatte, viele Jahre. Im Kopf hatte ich unlängst verstanden, dass ich ein sehr schwacher Mensch sein musste.

 

Über die Facebook Plattform - besser gesagt durch einen Kommentar von mir bei Michael Thiel, lernte ich einen Menschen kennen, der mir geholfen hatte die ersten entscheidenden und wichtigen Schritte zu gehen. Gleichzeitig begann ich die Therapie mit dem "Ausnahme-Psychologen, Herrn Wolfgang Siegel (www.wolfgang-siegel.de). Beides hängt zusammen, obwohl es sich nie wirklich berührt hatte. Beide Begegnungen in meinem Leben waren entscheidend gewesen. 

 

Ich schaffte es nicht mich gegen die Angst aufzulehnen. Ich hatte doch gewusst, dass es "nur Angst" ist, was mir das normale Leben entzog. Aber konnte ich das glauben? - Eher nicht. Zu schlecht fühlte ich mich. Zu schwach waren meine Beine, zu zittrig mein Körper, wenn ich nur den Müll vor die Tür bringen musste. Bei mir ging nichts mehr. An guten Tagen hatte ich die Konzentration ein Buch zu lesen oder einen Film zu verfolgen. An guten Tagen stand ich auch auf dem Balkon und genoss etwas frische Luft. Das war es auch schon. Viele Jahre war das Leben "ungelebt". Ich hatte mich nahezu aufgegeben gehabt. 

 

So viele Therapieversuche lagen hinter mir. So viele Fragen blieben ohne Antwort. Hoffnungen zerplatzten wie eine Seifenblasen. Das aktuelle Geschehen kannte ich aus dem Fernsehen oder ich las es in der Zeitung. Ich war zu keiner Party gegangen, hatte in keinem Lebensmittelladen gestanden, war viele Jahre nicht beim Zahnarzt gewesen, habe die vielen neuen Kreisverkehre nicht sehen können, die in der Stadt gebaut wurden, blieb jeder Familienfeier fern.... Mein Leben hatte in vier Wänden stattgefunden - so unendlich viele Jahre. Das Leben war weitaus schwieriger als ich es jetzt hier näher erklären könnte. Vielleicht folgt es später einmal. Es wären andere traurige Worte und Erlebnisse. Ich glaube fast nicht, dass ich sie anderen Menschen zum lesen zumuten möchte und könnte. .

 

In diesem Herbst werde ich ein entscheidendes Stück meiner Freiheit wieder zurückbekommen. Ich kann gar nicht in Worte ausdrücken, wie sehr ich mich darauf freue und welche Bedeutung es für mich hat. .