Es kostet Nerven... Ich habe Angst!

Sie wollten bald los. Geplant war, dass sie etwas Essen gehen wollten und danach ins Kino. Sie beobachtete ihre Freundin und ahnte was gleich folgen würde. Sie könnte es voraussagen. Die Worte, die Erklärungen, die Ausreden... Noch hofft sie, dass sie nichts sagen wird. Noch! Bloß nicht fragen und bloß nicht den Stein ins Rollen bringen. Einfach so tun, als sei nichts. 

 

Zusammengesunken sitzt Moni auf dem Stuhl. Sie nimmt sich eine Haarsträhne, zwirbelt sie zwischen den Fingern und wirkt nervös. Ihre Haut wird fleckig. Sie wippt mit dem Fuß. Immerfort. Sie ist unruhig. Noch ist sie stumm. Noch sagte sie nichts. Sie schaut auf die Wanduhr. Der Blick wird müde, traurig und abwehrend. Moni schweigt noch. Noch? Aber wie lange noch? 

 

Sie fühlt es. Noch bevor der Zeiger die sieben erreicht wird es losgehen. Zunächst wird sie sagen, dass heute nicht ihr Tag sei und sie glaube, dass sie krank werden würde. Sie wird Dich fragen, ob sie blass sei. Du wirst ihr mit einer möglichst ruhigen und emotionslosen Stimme antworten, obwohl Du innerlich in Aufruhr gerätst. "Es ist alles okay. Du schaust wundervoll aus, richtig gesund. Wir werden Spaß haben. Es wird Dir nichts passieren! Wir können auch jederzeit wieder nach Hause fahren. Los, lass es uns versuchen!". - Sie wird nicken! Sie wird nicht viel zu erwidern wissen. Vermutlich wieder ihre Haare raufen. Manchmal hält sie sich auch die Hand vor ihrem Mund. Du fühlst Dich in diesem Moment hilflos und ahnst was als nächstes folgen wird.


"Ich habe Angst! Können wir das nicht verschieben?" 

 

Dieser Satz hallt dann durch den leeren Raum. Diesen Satz hast Du nun schon so viele Male gehört und Du weißt, was das bedeutet. Ihr werdet nicht zum Essen gehen und auch keinen Film im Kino sehen. Ihr werdet zu Hause bleiben und den Pizza-Service anrufen. Vermutlich wird der Fernseher die Unterhaltung liefern. Nach einer Stunde ungefähr wird es so sein, als wäre nichts gewesen. Deiner Freundin würde es wieder blendend gehen. Du wirst Deine Enttäuschung hinuntergeschluckt haben. Du willst ja verständnisvoll sein und bleiben. Du bist ihre Freundin und ihre Angst ist ein ganz mieser Spielverderber. Es ist nicht einfach. Vorwürfe, die Du am liebsten aussprechen wollen würdest, schiebst Du zur Seite. Deine Laune wird Richtung Nullpunkt wandern! Doch Du musst es verbergen. 

 

"Liebe Moni, Du bist doch jung. Dein Körper ist gesund. Ich kann es nicht verstehen, was mit Dir nicht stimmt. Warum vermiest Du Dir Dein Leben mit Deinen Hirngespinsten! Ich ertrage es nicht mehr. Ich kann Deinen Satz nicht mehr hören: Ich habe Angst! Du vermiest nicht nur Deine Freizeit, sondern auch meine. Ich gehe einfach nun alleine los!". - Jene Sätze würdest Du gerne aussprechen. Versteckt ballst Du Deine Faust. Dein Mund formt sich zu einem gequälten Lächeln. In Dir toben Orkane. Du bist einfach nur noch sauer. Doch Du kannst es nicht sagen. Wenn Du es sagen würdest, würde sie weinen. Sie würde Dir vorwerfen: "Niemand versteht mich! Niemand sonst! Und nun auch Du nicht. Du bist doch meine beste Freundin! Ich brauche Dich!". - Du würdest Moni am liebsten vor die Tür zerren und ihr zeigen, dass nichts passieren wird. Doch das darfst Du nicht. Doch das kannst Du nicht. Du weißt es ja, dass es nur Angst ist, die in ihrem Kopf steckt. 

 

Du schweigst also. Du hältst es aus. Irgendwie. Auch wenn es Dir verdammt gegen den Strich geht. Wieder einmal. Wie lange wirst Du diese Wut noch zurückhalten können? Wie lange wirst Du es noch ertragen können ständig der Untertan der Angst Deiner Freundin zu sein!". Auch Dein Leben straft sie. Du möchtest den Alltag abschütteln. Du willst etwas erleben und nicht wie ein alter Greis in den vier Wänden hocken. Du fühlst Dich vollkommen hilflos. Wie kannst Du Moni bloß beweisen, dass alles mit ihr in Ordnung ist. Wie kannst Du sie überreden doch die Jacke zu schnappen und mit Dir in die Welt zu laufen. Wirst Du ihr eines Tages die Freundschaft kündigen, um Dich selbst zu retten?

 

Worte... mit denen ich Betroffene einer Angststörung berühren möchte, auch Verständnis für Freunde, Familie, Bekannte zu entwickeln. 

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0