Das ewige Fragen nach dem Warum?

Warum? Warum geht es mir wieder schlechter? Warum habe ich scheinbar plötzlich wieder mehr Angst? Warum wurde es wieder schlimmer? - Fragen über Fragen, Gedanken über Gedanken. Jede Richtung wirft garantiert weitere Fragen auf. Gründe finden sich manchmal schnell. Der Streit mit dem Partner, die Überforderung im Alltag, die neidischen Blicke der Nachbarin, die Vorwürfe der Familie. Es gibt sie immer, diese scheinbar logischen Erklärungen - Aber was hat das alles mit der Angst zu tun? Hat es überhaupt etwas mit der Angst zu tun? Oder suche ich nur nach Antworten, damit ich das alles, was ich da fühle,  besser ertragen kann? 

 

Auch ich habe stets gesucht, wenn ich das Gefühl gehabt hatte, dass die Angst wieder noch schlimmer wurde. Wonach habe ich da eigentlich gesucht?  Was habe ich verzweifelt nachgedacht! Abends lag ich im Bett und verstand mich und die Welt nicht mehr. Gründe, die ich gefunden hatte, waren oft tatsächlich kurze Erklärungen. Aber so richtig hilfreich waren meine gewonnen Erkenntnisse auch nicht. Es fühlte sich nicht gut an. Trotz der Erkenntnisse wurde es mit der Angst ja auch nicht besser. Erst in der Therapier verstand ich die Sinnlosigkeit dieser Suche nach Erklärungen und Gründe und konnte sogar annehmen, dass genau diese "Sucherei" auch ein Mittel meiner Angsterzeugung ist. 

 

Es gab die Gründe, die die Angststörung ausgelöst hatten. Doch diese Gründe waren längst Vergangenheit. Sie waren mir sogar teilweise bewusst und vermutlich auch schon allermeist "verarbeitet". Sie standen nicht mehr im tatsächlichen Zusammenhang mit der aktuellen Schieflage, mit der täglichen Beschäftigung der Angst:: Wie geht es mir heute? Bin ich unruhig? - Auch diese Beschäftigung gab der Angst einen Platz in meinem Tag und sorgte mit dafür, dass das zwanghafte Denken und die Sorge um das tägliche Befinden weiterlief.

 

Heute würde ich am liebsten jedem Betroffenen raten:" Sagt laut "Stopp", wenn Euch diese Gedanken überkommen! Die ganze Suche nach Antworten, das ständige Beschäftigen irgendwelche Erklärungen  und Gründe zu suchen werden Euch in der Regel überhaupt nicht helfen. Es sind auch nicht alleine Gefühle, die Angst hervorrufen. Das spielt eher eine untergeordnete Rolle. Es ist einfach die Sorge, die erlernte Angst, die ständige Beschäftigung, dass etwas Schlimmes passieren könnte! Der Kopf ist "meilenweit" in der Zukunft und grast in dieser nach möglichen "Katastrophen", die tatsächlich theoretisch alle passieren könnten. Das macht die Sorgen auch real. Gedanken wie:: Ich könnte ohnmächtig werden - Ich könnte ins Krankenhaus müssen - Ich könnte durchdrehen - Ich könnte einen Herzinfarkt bekommen - Ich könnte sterben - könnten ja auch tatsächlich passieren. Nur mit diesen lauernden "Gefahren" leben wir alle. Jeder Mensch. Es ist nun einmal so, dass wir uns auch nicht durch ein stetes "Aufpassen" und "Abchecken" davor bewahren könnten! Der Gedankenkreislauf ist eine ständige Erwartungshaltung und erzeugt permanent Stress. Kein Wunder, dass ständig körperliche Symptome entstehen. Kein Wunder, dass das Herz laut klopft, der Atem stockt, die Augen offenbar alles verschwommen sehen, der Schwindel Dich verfolgt oder auch Dein Magen-Darm-System Missfallen äußert. Die ständige Beschäftigung mit "Notsituationen" kann ja nicht spurlos vorbeiziehen. 

 

Betroffene erklären häufig (auch ich damals): " Die Symptome kommen zuerst, scheinbar aus heiterem Himmel und erst dann kommt meine Angst!". - Das ist nicht wirklich so. Oft reicht ein "äußerer, kaum wahrgenommener Reiz" (Wort, Gegenstand, Ort...) aus und blitzschnell startet das Programm. Das geht so blitzschnell, dass es gar nicht wahrgenommen wird, dass eben Deine Gedanken die Angst und die Symptome erzeugen.

 

So lange der Betroffene "auch im Unterbewusstsein" Angst vor einer Panikattacke behält, wird genau dieses System weiter wüten. Es wird weiterhin eine Berg- und Talfahrt bleiben. Es wird Tage geben, da ist das Befinden besser, aber es wird immer wieder weiter diese Tage geben, an denen die Angst sich wieder deutlicher zeigt. Es muss auch keinen kausalen Zusammenhang zum Alltag haben. Es kann einfach so durch einen minimalen Reiz wieder schlimmer werden und die Gedanken wieder verstärkt kreisen lassen. Die Angst schlummert ja noch in Dir. 


Es gilt zu verstehen, dass die Gedanken niemals den Moment bewahrheiten. Wenn Du spürst, dass Dich Gedanken übermannen, die ganz deutlich in der Zukunft liegen: (Ich könnte umkippen - Ich könnte ins Krankenhaus müssen - Ich könnte es nicht schaffen), dann sage ruhig laut: "STOPP" und stampfe auch einfach fest mit dem Fuß auf. (Das habe ich zu Anfang auch gemacht). - Erkenne in diesen Momenten, dass etwas in Dir abläuft, was Stress erzeugt. Im nächsten Schritt sei mutiger und versuche diese Sätze Dir genauer anzusehen, die Dir Angst machen. Meine Gedanken drehten sich z.B. immer darum, dass ich ohnmächtig werden könnte. Ich hatte ständig eine große Angst davor "umzukippen" und das Bewusstsein zu verlieren. Also überprüfte ich ständig meinen Puls, horchte in meinen Körper hinein und wollte immer aufpassen, um so etwas zu verhindern. Das ich das gar nicht verhindern könnte, war mir eigentlich gar nicht klar. Durch eine therapeutische Hilfe schaffte ich es mir zu sagen, wenn ich den Gedanken verspürte: Ich könnte ohnmächtig werden - mir genau in diesem Moment zu sagen: "Na los...dann werde jetzt gefälligst ohnmächtig! Jetzt und sofort!". - Ich kniff sogar die Augen zu, um mich ganz darauf zu konzentrieren, jetzt und auf der Stelle ohnmächtig zu werden. Natürlich passiert nichts! Gar nichts. 


Warum genau das hilft? - Wenn Du eine Angststörung hast, dann gaukeln Dir die Gedanken ja etwas vor. Sie zeigen Dir Grenzen auf, dass Du z.B. etwas nicht schaffst, weil die Angst übermächtig ist. Viele vermeiden dann genau diese Situationen, um sich nicht diesen schlimmen Symptomen aussetzen zu müssen. Diese Vermeidung führt ja dazu, dass die Vorstellungen sich der Situation auszusetzen noch schlimmer wird. Bei einer manifestierten Angststörung wird es schlussendlich komplett vermieden und der Betroffene ist überzeugt, dass er es nicht schafft. - Ich weiß aber, dass er es schaffen würde. Es würde nichts passieren. Die Vorstellung sitzt nur tief verankert im Kopf und stimmt nicht mit der tatsächlichen Realität, was Du schaffst, überein. 

 

Eine Angststörung ist nur aufzulösen, wenn der Geist zum Stillstand kommt. D.h. wenn die ständige Sorge um die Zukunft, Gesundheit erkannt und gestoppt werden kann. Die Suche nach Erklärungen wird an diesem Punkt nicht weiterhelfen. Es geht ja hierbei nicht um die Angst, die tief verankert sitzt. So lange die "Ehrfurcht" vor der Angst bleibt, wird sie auch weiter wüten und aufrecht erhalten werden. Nur, wenn Du es schaffst die Angst zu entmachten, zu fühlen, zu erkennen, als das was sie ist, wird sie Dich nicht mehr weiter belästigen und beschäftigen. 

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Ella (Samstag, 27 Januar 2018 17:17)

    Sehr sehr wahrer Text.Ich habe keine Angst vorm umkipppen wie du es schreibst sondern vor dem Schwindelgefühl.Das kann ich willenlicht sogar herbeiführen teils.Denk ich mal nicht dran dann rumms es komm ordentlich.Drum hab ich diesen Gedanken dauerhaft im Kopf.Jetzt im Moment kann ich mit sagen ..los komm, mach.Manchmal gehts und meist nicht.Eines stimmt, mit der Angst bin ich immer einen Schritt in der zukunft irgendwo unterwegs.Und Stop, ja das werde ich mal übernehmen.Daran hab ich nie gedacht.