Ist meine Angst gesellschaftsfähig? Soll ich oder soll ich nicht?

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Zufällig las ich diesen Artikel (Danke an Yasmin) und überlegte, wie es in meiner akuten Zeit mit der Angststörung gewesen war. Ich konnte mich in diesem Artikel gar nicht wieder entdecken. Meine Angststörung blieb eher in den vier Wänden und ich ging nur damit "hausieren", wenn die Luft zu eng wurde. Es ließ sich manchmal nicht vermeiden das Problem auszusprechen. Vermutlich begründet das Verhalten auch die Persönlichkeit. Für mich stand es sehr schnell fest, dass mich das Umfeld in der Regel nicht versteht und mit meiner "Offenbarung" - Ich kann das Haus nicht verlassen, weil ich Agoraphobie habe" nahezu immer überfordert war.

 

Natürlich, wenn ich mich "entkleiden" musste, dann probierte ich mein Problem den Unwissenden zu erklären. Einige besaßen auch den Mut Fragen zu stellen, andere suchten vorzugsweise eine Erklärung sich ganz schnell aus der "Gesprächs-Affäre" ziehen zu können. Meine Erfahrungen sind sehr unterschiedlich. Es gab auch diese besonders cleveren Köpfe, die meinen Seelen-Striptease als Munition sahen und mit der "in ihren Augen" offenkundigen Schwäche von mir scharf schossen.. Ein "Angstmensch", der eh mit seinem Selbstbewusstsein und auch Selbstvertrauen hadert, zieht sich dann oft traurig und enttäuscht (Keiner versteht mich) noch tiefer in sein Schneckenhaus zurück. Ich teile daher nur sehr bedingt die Gedanken der Autorin des Artikels. Es mag einige Exemplare geben, die ihre "Störung" in den Vordergrund ihres Lebens stellen, aber hier hängt es von der jeweiligen Persönlichkeit ab. (Mittelpunkt-Fanatiker vor).

 

2010-2011 in dieser Zeit löste sich meine Angststörung auf und mir wurde es nicht wichtig in meinem Alltag über mein zurückliegendes Leben zu reden. Auch wenn ich neue soziale Kontakte knüpfte oder heute noch knüpfe ist es ein Thema, was ich nicht mehr zentriere oder erwähne. Für mich ist es eine abgeschlossene Zeit. Jahre, die zu mir gehören, aber in der Gegenwart nicht mehr entscheidend sind. Manchmal gibt es Situationen (z.B. in größeren Runden) wenn andere über ihre Jugend o.ä. berichten. In solchen Momenten werde ich stets zum stillen Lauscher. Ich weiß dann nichts zu erzählen. Ich habe in der Jugend nicht viel erlebt. Ab ca. 19 Jahren hatte ich sehr zurückgezogen und isoliert gelebt und wahrhaftig nicht viel erlebt. Ich habe Sprachen gelernt, Bücher gelesen, Nachhilfe gegeben und versucht jeden Tag zu überleben. Es war nicht mehr und nicht weniger. Manchmal möchte ich auch von mir erzählen. Auch wenn meine Jugend so anders verlaufen ist, aber ich schweige. Noch nicht "Einmal" habe ich Menschen von meinen "isolierten Jahren" erzählt, die ich seit ca. 2011 kennengelernt habe. Manche stellten Fragen. Sie waren mir manchmal unangenehm, aber meiner Redegewandtheit sei Dank fand sich immer eine Antwort, die eigentlich keine gewesen war. Für mich lebt das Heute mein Leben, nicht das Gestern. Und in diesem Jahr darf ich auch mit dem Gestern in einer besonderen Art und Weise abschließen. Darüber freue ich mich sehr und ich kann es auch gerade noch kaum glauben. Ich habe es geschafft.

 

Ich werde manchmal gefragt, ob ein Betroffener es erzählen soll. Am Arbeitsplatz, im Bekanntenkreis o. ä. sozialen Kontakten. Ich kann nicht immer eine kluge Antwort geben. Es ist in der Tat manchmal klüger nicht über seine Angststörung zu reden. Es ist aber auch manchmal befreiender es ausgesprochen zu haben. Ich würde mich da an mein "Bauchgefühl" wenden. Mich hatte es nie im Stich gelassen. Menschen, die meine ausgesprochene Schwäche als Munition gegen mich verwenden, mied ich.. Sie hatten "mich" nicht verdient. Sie hatten meine Aufmerksamkeit nicht verdient. Hilfreich ist vielleicht auch für den einen oder anderen der Gedanke: Warum handelt der Gegenüber so? - Er hat seine Gründe. Sie haben nicht immer mit dem "Angstmensch" zu tun, sondern liegen oft sogar bei dem Gegenüber selbst. Auch der "Gegenüber" hat seine Probleme. Vermutlich hat er nur keine Angststörung.

 

Manchmal wechselt man mit einem Menschen nur ein paar kurze Worte

und fühlt sofort die Magie einer beginnenden, ehrlichen Freundschaft.

Peter Pratsch