Gefühle zerinnen - Gedanken gewinnen

Gefühle sind das Produkt der Verarbeitung von Reizen die ihren Ursprung in unseren Sinnesorganen nehmen. Sie vermitteln damit ein Bild von der uns umgebenden Welt, aber auch von Vorgängen unseres eigenen Körpers. Gefühle sind nicht nur Ausdruck äußerer Tatsachen, sondern auch unserer eigenen Beurteilung

 

Was haben Panikattacken mit Gefühlen zu tun? Wir Menschen fühlen, erleben jeden Tag Situationen. Angst, Ärger, Komik, Ironie sowie Mitleid, Eifersucht, Furcht, Freude und Liebe die sich (potenziell) beschreiben und damit auch versprachlichen lassen. Obwohl es vielseitige neurophysiologische Ansätze der Messung von Gefühlen gibt, sind diese nicht als einheitlich und überindividuell gültig anzunehmen.

 

Panikattacken - schneien scheinbar aus dem Nichts hervor. Wie ein Schwert zückt sie sich vor Deinen Augen und bittet nicht mehr höflich zum Duell. Die Chance bekommst Du nicht. Du befindest Dich urplötzlich in Deinem, eigenen Kampf - um Dein nacktes Überleben. So fühlst Du es! Die erste Panikattacke ist und bleibt ein einschneidendes Erlebnis. Wie ein "Wirt" nagt sie sich in Dir fest und fordert fortan mehr als die Hälfte Deines Lebensatems. Was ist passiert? Wie konnte es zu einem solchen, brachialen Ausbruch von Gefühlen kommen? Haben wir die Signale vorab übersehen? Hätten wir es verhindern können? Handeln? Uns schützen?

 

Über diese Frage habe ich viele Jahre sehr intensiv nachgedacht. Die Versuche sie aus verschiedenen Sichtweisen zu reflektieren, verblieb oft flackernd. Es hat diese Situationen gegeben, die ALLES erklärten. Ich möchte sie (zum Schutz) meiner Leser nicht beschreiben. Es waren Situationen, in denen in mir Gefühle den Atem raubten. Die gesamte Situation nicht als solche von mir mehr länger zu begreifen und auch zu ertragen war. Es prasselte, hagelte Eindrücke, denen ich nicht Herr werden konnte. Ohne mein Zutun. Mein Körper sendete Signale. Gedanken flogen vorbei, ohne sie selbst zu erfassen. Ein Strudel, der nicht zu stoppen schien. Der gesamte Körper wurde zum Rebell und fast schien es so, als würden sich alle Sinne abschalten. Lethargie, Apathie... ein emotionaler Erschöpfungszustand. Automatisch stellte er sich ein - um mich zu schützen. Alles, was auf mich einprasselte konnte nicht mehr verarbeitet oder verwertet werden. Diese Situationen erlebte ich mindestens zweimal - vermutlich unter fünfmal, in denen ich in den Zustand von emotionaler Leere schwebte. Ein "Stau" in der Verarbeitung entstand. Ich konnte nicht mehr. Ich konnte diese Erlebnisse nicht verarbeiten. (Trauma). Aus diesen Erlebnissen entlud sich eines Tages die erste Panikattacke. Wie eine Lava-Eruption, die aus einem aktiven Vulkan plötzlich herausbricht. Seit diesem Tag war nichts mehr wie es war für mich. Seit diesem Tag war ich auf der Lauer. Ich wollte partout nicht, dass ich diesen "Ausnahmezustand" noch einmal erleben müsste. So überrascht hatte er die Hand auf mein Leben gelegt und mich an die Wand gedrückt. 

 

Kontrolle - ein wichtiges Wort für einen Angstpatienten. Fortan wird ständig kontrolliert. Schon im Vorfeld wird jeder Winkelzug "angedacht" "vorausgedacht" und sich bildhaft ausgemalt. Kein schlimmes Szenario wird vergessen. Alles ist möglich. Immerzu und an jedem Ort. Der Körper könnte plötzlich versagen. Normale Menschen können die Gedankenzüge von Menschen, die von einer Angststörung in Fesseln gelegt worden sind, oftmals nicht nachvollziehen. Gutes Zureden wird oft zur weiteren Distanz oder Aggressor. Bei der Kontrolle ähnelt sich das Verhalten. Die meisten kontrollieren permanent ihren Blutdruck, hören auf ihren Herzschlag, passen auf jeden Gedanken auf, der ihnen durch den Kopf jagt oder haben ständig einen Finger am Hals. (Puls) Was sie vergessen... diese Kontrolle ist gar nicht möglich. Sie ist ohne Sinn. Für den "Phobiker" ist die Kontrolle lebensnotwendig geworden. Sein zentrales Denken kreist nur um die Angst - je mehr sie sich einnistet, desto weniger Spielraum bleibt ihnen für das normale Leben. Sie igeln sich in sich ein. Außenstehende dringen oft nicht mehr an sie heran. Auf alle Eventualitäten vorbereitet sein? Geht das? Können wir das überhaupt? Könnten wir uns mit Erfolg vor einer plötzlichen Ohnmacht durch unsere Aufpass-Gedanken schützen? 

 

Wir Menschen leben das Risiko "Leben". Wir teilen es alle. Niemand hat es einfacher oder schwerer. Jeder lebt mit der Möglichkeit, dass ihm etwas "widerfahren" könnte. Wir können unseren Geist belügen und glauben, dass wir es könnten und die Momente an uns vorbeijagen lassen, da wir sie nicht bewusst erleben - wir könnten aber auch das Risiko "Leben" akzeptieren, annehmen. Jeder Moment wird geschehen. Jeder Moment ist niemals zu bestimmen. Was bringt es jeden Tag auf einen möglichen Ohnmachtsanfall zu warten? Was nützt es Angst vor schlimme Gedanken zu haben, die fernab der Realität im grünen Gras sitzen. (Zwangsgedanken). Was hilft es sich Sorgen zu machen, ob die empfundenen Symptome etwas "anderes Schlimmes" sein müssen - nicht nur Angst. Was fressen uns diese Sorgen auf! Was rauben sie die Freiheit! Was nützt es Angst vor einer möglichen, allerschlimmsten Panikattacke zu haben, die jederzeit geschehen könnte? 

 

 

„Das Aufhören ist der Anfang. Dieses Anfangen ist der erste Schritt. Und der erste Schritt ist der letzte Schritt." (Wolfgang Siegel) 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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